Interview mit Bob Hanning
„Ich habe schnell gemerkt, dass ich Menschen führen kann.“
Herr Hanning, Sie gelten als die wohl schillerndste Persönlichkeit im Deutschen Handball und als einer der einflussreichsten Handball-Funktionäre dieser Zeit. So leiteten Sie von 2013 bis 2021 als Vizepräsident des Deutschen Handballbundes die Geschicke dieses faszinierenden Sports. Warum nun der – für viele wohl überraschende – Rücktritt Ihrerseits nach den Olympischen Spielen in Tokio? War es für Sie an der Zeit für eine berufliche Veränderung und Neuausrichtung?
Bob Hanning: Ich habe immer gesagt, ich werde die Position für zwei Amtszeiten bekleiden und für mich geht es hier immer um das Amt, nicht um die handelnde Person. Ich glaube, wir konnten in den letzten Jahren viel bewegen und der Weg für neue Kräfte ist jetzt geebnet. Zumal uns mit dem Jahrzehnt des Handballs in Deutschland eine große Chance bevorsteht.
„Ich wollte ein ehrliches Buch schreiben. Es geht nicht darum, irgendjemanden mit diesem Buch zu schaden. Ich wollte zeigen, wer der Mensch hinter den bunten Pullovern ist.“
Zeitgleich mit dem Rücktritt von Ihrem DHB-Posten ist nun bei EDEL BOOKS Ihr Buch `HANNING. MACHT. HANDBALL´ erschienen, welches Sie zusammen mit den Sport-Journalist Christoph Stukenbrock verfasst haben. Welche Herausforderungen gab es für Sie als Buch-Autor. Und auf welche `Geheimnisse` kann sich die Leserschaft und Handball-Fangemeinde freuen?
Bob Hanning: Ich wollte ein ehrliches Buch schreiben. Es geht nicht darum, irgendjemanden mit diesem Buch zu schaden. Ich wollte zeigen, wer der Mensch hinter den bunten Pullovern ist. Eigentlich hatte ich vor, ein Buch über Führung zu schreiben, doch am Ende ist es ein sehr persönlicher Einblick in mein Leben, meine Karriere, meine Liebe zum Handball geworden. Und natürlich ist auch die ein oder andere pikante Story enthalten. Aber das muss man schon selbst lesen. (lächelt)
Das Vorwort Ihres Buches wurde von der deutschen Handball-Legende Stefan Kretzschmar verfasst. Wie ist Ihre Beziehung zu ihm? Und wie kam es dazu, dass er für Ihr Buch die einleitenden Worte erstellt hat?
Bob Hanning: Eigentlich war der Plan, dass Stefan einen Klappentext schreibt. Am Ende ist es ein komplettes Kapitel geworden. Der Verlag hatte mich nochmal intensiv gefragt, ob ich das wirklich so im Buch haben möchte. Aber ich sagte bereits, es soll ein ehrliches Buch sein. Und so hat Stefan ein komplettes Kapitel geschrieben, in dem er unsere nicht immer ganz einfache Beziehung von den Anfängen bis heute exzellent beschreibt.
„Wir verfolgen eine Strategie, gemeinsam mit den Füchsen und Potsdam das größte Nachwuchsleistungszentrum Europas zu errichten.“
Nach zahlreichen Trainerstationen und Ihrer langjährigen Funktionärsarbeit sind Sie aktuell erfolgreich als Manager des Handball-Bundesligisten `Füchse Berlin´ und zudem seit kurzem auch als Cheftrainer des kooperierenden Drittliga-Vereins `1. VfL Potsdam´ verantwortlich. Wie lassen sich diese zwei unterschiedlichen Funktionen für Sie thematisch und zeitlich vereinbaren?
Bob Hanning: Ich stehe nach wie vor morgens in der Halle und möchte junge Talente fördern. Der 1. VfL Potsdam hat die letzten neun Jahre versucht, in die 2. Handball-Bundesliga aufzusteigen und ist jedes Mal gescheitert. Wir verfolgen eine Strategie, gemeinsam mit den Füchsen und Potsdam das größte Nachwuchsleistungszentrum Europas zu errichten. Vor den Toren Berlins einen Zweitligisten zu haben, bei dem unsere jungen Talente gefördert werden, ist dafür unabdingbar. Deshalb habe ich den VfL Potsdam übernommen und aktuell spielen wir die Aufstiegsrunde für die zweite Liga.
Sie sind dem Handball-Sport seit langem eng verbunden und waren selbst als Handball-Torwart im Profisport aktiv. Woher rührt Ihre Leidenschaft für diesen Sport?
Bob Hanning: Ich bin gegenüber der Gruga-Halle in Essen aufgewachsen, damals war der TUSEM Essen der große Handballverein. Aus meinem Zimmer im Hochhaus konnte ich die Halle sehen. Meine Eltern waren keinesfalls begeistert, meine Faszination für den Sport war aber unheimlich groß. Sie dachten ich wäre bei Theaterkursen, stattdessen war ich aber in der Halle und habe trainiert. Ich habe schnell gemerkt, dass ich Menschen führen kann, und seien wir ehrlich: Mit meiner Körpergröße ist es schwer, erfolgreich Handball zu spielen. Auch das habe ich schnell gemerkt. (lacht)
In `HANNING. MACHT. HANDBALL.´ rekapitulieren Sie neben sportlichen Erfolgen und Ihrem `Bob `n´ Roll´-Reformwillen auch Kontroversen mit dem damaligen DHB-Verbandspräsidenten oder den bis heute anhaltenden Zwist mit dem ehemaligen Bundestrainer Heiner Brand. – War Ihre Intention beim Schreiben des Buches, hiermit zu polarisieren? Oder dient es Ihnen persönlich auch als positiven, reinigenden Abschluss einer für Sie durchaus aufreibenden Funktionärszeit, um dadurch ohne Groll in eine positive Zukunft mit neuen Projekten starten zu können?
Bob Hanning: Reinen Tisch machen brauche ich nicht, denn ich bin mit der Situation im Klaren. Für den ein oder anderen mag das Thema polarisierend klingen, doch ich habe offen und ehrlich meine Denkweise geschildert, ohne jemanden zu beleidigen. Das Ende meiner Amtszeit beim DHB war dann der richtige Zeitpunkt, damit abzuschließen. Wir sind weder im Streit auseinandergegangen, noch habe ich mit dem Buch Benzin ins Feuer gegossen.
Ihre zweite Leidenschaft scheint die Mode zu sein. Denn mit Ihren schillernden und ausgefallenden Outfits und Pullovern gelten Sie als charismatischer `bunter Hund´ im Sportbusiness, der jedoch zu jeder Zeit authentisch sich und seiner Linie treu geblieben ist. Was fasziniert Sie am Thema Fashion?
Bob Hanning: Ich wollte zu Beginn meiner Amtszeit ein wenig Farbe ins Spiel bringen, die normalen Anzüge fand ich zu langweilig. Und mittlerweile habe ich auch Gefallen daran gefunden. Und wenn mich die Leute dadurch wiedererkennen, kann das nur positiv für den Handball sein, wenn der Sport es sonst schon nicht in die Berichterstattung schafft.
Ihre sportliche Passion galt immer auch der Nachwuchsförderung. Als Sportfunktionär haben Sie hierbei die sportlichen Weichen für eine positive Zukunft des Verbandes und des deutschen Handballs gelegt. Die Fangemeinde kann sich auf die in Deutschland anstehenden Turniere der `Junioren-WM 2023´, der `Handball-EM 2024 der Männer´, der `Handball-WM 2025 der Frauen´ und die Handball-WM 2027 der Männer freuen.
Wenn Sie zurückblicken: Wie beurteilen Sie die letzten Jahre? Und welche Veränderungen waren aus Ihrer Sicht entscheidend – und notwendig – im den Deutschen Handball im internationalen Vergleich wettbewerbsfähig zu halten?
Bob Hanning: Als ich 2013 angefangen habe, wurden die Werbebanden noch `angetackert´. Heute ist der DHB ausvermarktet und wir können uns die Partner aussuchen. Ich bin mit dem Thesenpapier `Amateure hoffen, Profis arbeiten´ angetreten und heute arbeitet der Verband mindestens 80 Prozent nach diesem Papier. Wir haben durch die Coronapandemie eine ganze Generation Handballer verloren, die es jetzt gilt, wieder zurückzugewinnen. Der Nachwuchs- und Breitensport ist hier der Schlüssel zum Erfolg.
Gebürtig kommen Sie aus Essen, Ihr Lebensmittelpunkt ist jedoch Berlin und für Ihre zwei sportlichen Wirkungsstätten pendeln Sie aktuell zwischen der Hauptstadt und Potsdam. Was ist für Sie persönlich das Besondere an Berlin – und was zeichnet für Sie dagegen Potsdam aus?
Bob Hanning: Die Geschäftsstelle der Füchse Berlin liegt direkt am Gendarmenmarkt und jedes Mal – was nicht so oft vorkommt – wenn ich Zweifel habe, gehe ich raus und denke: `Möchtest du an einem anderen Ort arbeiten? – Nein´. Ich fühle mich wohl in Berlin, auch wenn ich aktuell meinen Traum erfülle und ein Haus am See in Wandlitz baue. Das wird mein Rückzugsort sein. Der Luftschiffhafen in Potsdam, ebenfalls am Wasser gelegen, gefällt mir sehr. Es ist wie ein kleiner Rückzugsort aus der großen Hauptstadt Berlin und dennoch nah am Geschehen.
„Mit dem 1. VfL Potsdam wollen wir in die 2. Bundesliga aufsteigen, ein anderes Ziel gibt es nicht.“
Mit dem 1. VfL Potsdam spielen Sie derzeit die Aufstiegsrunde in die 2. Handball-Bundesliga, die Füchse Berlin sind aktuell als Dritter der 1. Handball-Bundesliga ebenfalls erfolgreich im Umfeld der Champions League oder des EHF-Cup angesiedelt. – Welche mittelfristigen Ziele sind aus Ihrer Sicht für beide Teams realistisch? Und welche Projekte würden Sie als sportlicher Verantwortlicher beider Vereine gerne zukünftig umsetzen?
Bob Hanning: Mit dem 1. VfL Potsdam wollen wir in die 2. Bundesliga aufsteigen, ein anderes Ziel gibt es nicht. So hätten wir dann die erste bis dritte Liga im Erwachsenenbereich abgedeckt. Dazu spielt unsere Füchse-Jugend wieder einmal um die deutsche Meisterschaft. Mit den Füchsen Berlin wollen wir auch in den nächsten Jahren international spielen. Hier sind wir auf einem guten Weg. Wir wollten die Lücke zu Flensburg und Kiel schließen, das ist uns gelungen. Nach der EHF European League in den letzten Jahren wollen wir weiter nach oben. Das wäre dann die Champions League.
Herr Hanning, besten Dank für das interessante Interview und weiterhin viel Erfolg.
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Interview: Andreas Detert / Fotos: EdelSports, Sascha Klahn, Lächle, Füchse Berlin, VFL Potsdam