Interview mit Julius Dittmann
„Skateboarding ist zudem eine Philosophie, die viele Einsichten und praktische Erkenntnisse bietet, auch für das Unternehmertum“
Herr Dittmann, Sie haben anfangs mit Skateboarding im Herzen den Skateboard-Großhandel `24/7 Distribution´ aufgebaut. Nun führen Sie bereits seit Jahren die Titus GmbH. Was war Ihre größte Herausforderung, diese mittlerweile weltweit bekannte und in der Skateboard-Szene führende Marke – gegründet von Ihrem Vater und Skateboard-Pionier Titus Dittmann Ende der 70er Jahre in Münster – weiterzuentwickeln?
Julius Dittmann: Wow – ja, die Anfangszeit mit der Crew bei der `24/7´ war spannend, denn alles war so frisch und neu. Wenn ich zurückblicke, sehe ich heute, wie engstirnig ich damals manchmal war. (lacht) Aber ich konnte in dieser Zeit sehr viel lernen und bin dankbar für das Arbeiten mit dem motivierten Team von `24/7´. Wir haben damals alles in Frage gestellt und experimentiert. Ständig ging es darum, das Unternehmen weiterzuentwickeln, und dies wurde zur Routine. Und diese Gewohnheit und Erfahrung war im Gepäck, als ich die Führung von Titus übernahm. Auch nach fünfzehn Jahren ist das der Antrieb, genau wie im Skateboarding. Aus Gewohnheit immer wieder die Perspektive erweitern, sich wagen und dranbleiben.
Es war eine Umstellung, von einem kleinen Team in größere Strukturen mit Abteilungsleiter/innen und Co. zu wechseln. Es liegt eine Menge Potenzial darin, die Hierarchien flexibel zu halten. Seit 2018 bauen wir bei Titus die Teamleiterstrukturen stetig weiter aus. Hierbei schaffen wir einerseits mehr Verantwortung, ermöglichen jedoch auch mehr Gestaltungsspielraum für jeden einzelnen. So ist jeder des Teams eingeladen, die Geschichte von Titus aktiv mitzuschreiben.
Viele Teile des Geschäfts wurden unter Ihrer Leistung digital neu aufgestellt. Was haben Sie verändert? Und was steht noch im Fokus, um die Marke weiter zu modernisieren?
Julius Dittmann: Die zunehmende Vernetzung der Welt erlebte ich als Kind und Jugendlicher bereits 1998 mit, indem ich mit fünfzehn Jahren meine erste Webseite direkt in HTML programmierte. Das war einige Zeit vor CSS-Sheets und der nachfolgenden `Klick dir deine Webseite zusammen´-Zeit. – Zehn Jahre `fast forward´ erfolgte der Generationswechsel in der Führung bei Titus.
Als erstes wurde bei Tutus der komplette Online-Shop (www.titus.de) erneuert. Jetzt gab es Filterfunktionen für die User, beispielsweise um Produkte nach Größe und Farbe zu filtern. Prozessbezogene Dinge entwickelten wir zudem über die Jahre stetig weiter. So wurden die Buchhaltungsabläufe digitalisiert und ein Mindestbestand-System bei den Flächen eingeführt, um die lokalen Läger zu reduzieren.
„Skateboarding ist zudem eine Philosophie, die viele Einsichten und praktische Erkenntnisse bietet, auch für das Unternehmertum“
Das Leben ist jedoch voller `Lerngelegenheiten´. Viel gelernt haben wir zum Beispiel bei einem weiteren Relaunch des Online-Shops im Jahr 2017. Hierbei gab es beim Webshop anfangs Probleme, da es lange Online-Ladezeiten der Website gab, der Webshop teilweise sogar offline war oder die Kunden die Website im Browser gar nicht angezeigt bekamen. In solchen Momenten hilft nur: Ärmel hochkrempeln. Genau das haben wir getan, die Prozesse entknotet und weiterentwickelt. Die erfreuliche Nebenwirkung: Das Team ist dabei noch enger zusammengewachsen.
Skateboarding ist zudem eine Philosophie, die viele Einsichten und praktische Erkenntnisse bietet, auch für das Unternehmertum. Beide haben viel gemeinsam. Man scheitert immer mal wieder, aber es gilt, weiter dranbleiben, dranbleiben & dranbleiben. Es braucht viel Übung und Optimismus. Daraus hat sich mein Instagram-Lieblingshashtag #keeppushingandsmile entwickelt.
Thema Internationalisierung: – Wie wichtig ist es Ihnen, die Menschen über die Grenzen Deutschlands hinaus für Skateboarding zu begeistern? Und was planen Sie hierfür in naher Zukunft?
Julius Dittmann: Alle Menschen für Skateboarding zu begeistern, das ist unser Ziel. Frankreich war das erste Land, das wir in der Muttersprache angesprochen haben. Zugegeben, wir hatten nur einen groben Plan und durften viel lernen. Heute achten wir auf Standardisierung und Skalierbarkeit, arbeiten bewusst mit Menschen aus unserer Szene zusammen und haben Native-Speaker im Kundenservice der Länder.
Heute sind wir in fünf Sprachen in 39 Ländern präsent – im Mai 2020 kamen trotz weltweiter Coronakrise Japan, Singapur und Thailand dazu.
Wie ist das Zusammenspiel der Marke TITUS und der Trends auf dem Markt? Und welche Rolle spielen dabei die Wünsche eurer Kunden?
Julius Dittmann: Skateboarding entwickelt sich stetig weiter. Ob bei den angesagten Tricks, dem Style, der Sprache oder der Klamotte – all das faszinierte mich schon immer!
Aktuelles Beispiel: Olympia hat Skateboarding für die Spiele in Tokyo erstmals in ihr Programm aufgenommen. Das wird sehr diskutiert. Viele befürchten die eigentliche Kultur von Skateboarding, die Essenz, geht dabei verloren. Und ja, es werden sich Strukturen bilden, die es vorher so eher im klassischen Sport und bei Olympia gibt. Gleichzeitig wird ein Teil von Skateboarding sich wieder verändern, weiterentwickeln, den neuen Gegebenheiten anpassen, sich adaptieren – und die Essenz, dass was Skateboarding ausmacht, dabei in die Zukunft bringen.
TITUS steht nicht nur für Skateboards, sondern auch für stylische Mode. Wie wichtig ist das Thema Streetwear in eurem Portfolio?
Julius Dittmann: Sowohl die Titus-Streetwear als auch Schuhe und Sneaker sind ein Teil von dem, was wir verkörpern. Das führen wir auch stetig weiter. Der Fokus liegt auf Marken, die sich im Bereich Skateboarding engagieren. In unserer Strategiearbeit haben wir unsere Ankermarken dabei klar definiert. Dadurch sichern wir den Fokus.
Was macht für Sie den Reiz beim Skateboarden aus? Und wo fahren Sie persönlich am liebsten; in einer Halfpipe im Skatepark oder einfach über verschiedene Hindernisse in der City?
Julius Dittmann: Skateboarding bedeutet so viel und dabei hat jeder seine eigene Interpretation. Für mich ist es das `Dranbleiben´, die stetige Weiterentwicklung. Dabei braucht es viel Übung, denn man scheitert häufig.
Wenn ich zum Beispiel bei der Deutschen Skateboard Meisterschaft mit skate, faszinierend mich immer wieder das Miteinander. Es kann nur einer gewinnen, doch es ist wie eine große Session mit Freunden. Wenn Jemand einen guten `Run´ hat, dann flippen alle aus. Man freut sich für den anderen, unterstützt und feiert sich. Das pusht und jeder kann sein eigenes Limit weiterentwickeln. Genauso empfinde ich es auch am Skatespot. Egal ob man gerade einen ersten `Ollie´ macht, oder jemand `einen krassen Trick raushaut´ – das mitzuerleben, wie jemand sein eigenes Limit erreicht und die Extra-Meile gegangen ist, um dies zu schaffen, bereitet einem tiefe Freude und motiviert enorm.
Ganz besonders ist es für mich zudem, in DIY* (*Do-It-Yourself) – Skatespots oder an DIY-Skateparks zu skaten. Hier spürt man, wieviel Arbeit und Liebe in das Bauen dieser Skateparks gesteckt wurde. In jedem dieser Skateparks oder -spots steckt viel Energie drin und es geht ums Anpacken als Gemeinschaft.
„Es gibt viele Wege erfolgreich zu sein. Wichtig ist, die eigenen Werte im Fokus zu haben und so auf sich selbst und seine Umgebung zu achten“
Mit dem Skateboard Tricks zu machen erfordert Übung – und ist jedes Mal ein kreativer Prozess. Wie wichtig ist Kreativität bei Ihrem täglichen Arbeitsalltag und bei der Umsetzung von Projekten im Team?
Julius Dittmann: Skateboarding, Kunst, Musik – und damit auch Kreativität – gehören zusammen. So leben wir das auch bei Titus.
Was halten Sie von der Aussage, dass man als Unternehmer – oder auch als Skateboarder – nur erfolgreich sein kann, wenn man `sein eigenes Ding macht, und das mit Leib und Seele`?
Julius Dittmann: Mit Seele dabei sein – präsent im hier und jetzt. Das ist so einfach gesagt, und bedeutet so viel. Mir fällt es selbst manchmal schwer. Es gibt viele Wege erfolgreich zu sein. Wichtig ist, die eigenen Werte im Fokus zu haben und so auf sich selbst und seine Umgebung zu achten.
Die Mediaplattform VICE und die Firma Porsche haben vor einiger Zeit ein ca. 20-minütigen Videoporträt über Sie als Skateboarder, Unternehmer und Familienvater auf YouTube und Amazon-Prime präsentiert. Dabei reden Sie über die Verknüpfung von Beruf, Leidenschaft und Familie. Wie kann man aus Ihrer Sicht eine optimale Work-Life-Balance schaffen?
Julius Dittmann: Ziel ist es, mein unternehmerisches Schaffen, das Skaten und die Familie unter einen Hut zu bekommen. Das erfordert viel Aufmerksamkeit und Wahrnehmung.
Die Balance zwischen den Dingen erfordert Aufmerksamkeit. Mal hat der eine Bereich einen größeren Bedarf, dann der andere. Unser Leben ist eine fortlaufende Entwicklung und jeder Mensch hat individuelle Einflüsse – wie kann es da eine optimale Formel geben?
Eine Ihrer Aussagen war auch, dass man durch eigene Projekte, wie zum Beispiel der aktiven Entwicklung und Mitgestaltung von Skateparks, `einem toten Ort Seele verleihen` kann. Wie meinen Sie das?
Julius Dittmann: Oh ja, da sprechen Sie auf die DIY-Aktivitäten an, die ich initiiere und unterstütze. Wenn Menschen mit dem gleichen Interesse sich zusammenschließen, jahrzehntelang verlassenen Gebäuden und Architektur durch den Bau von eigenen Skateboard-Rampen ein neues Leben einhauchen, dann dort mit Ihren Freunden und allen Interessierten skaten und hierbei eine gute Zeit haben und sich weiterentwickeln – das haucht Orten eine Seele ein.
Kann man sagen, dass Sie Ihr Hobby zum Beruf gemacht haben?
Julius Dittmann: Hobby? Beruf? Glücklich ist, wer weiß, was Berufung bedeutet und die Balance für die Bereiche pflegt, die persönlich guttun. Da sind wir dann meist auch am besten, wenn wir von ganzem Herzen bei der Sache sind.
Eine persönliche Frage zum Schluss: Ihr Lebensmotto lautet `Keep Pushing and Smile´. Was ist damit gemeint?
Julius Dittmann: Es wäre traurig, morgens aufzustehen und nicht zu wissen, wozu. Skateboarding liefert die passende Philosophie; mit aller Energie Herausforderungen angehen, Grenzen neu setzen, Erfolge mit Gleichgesinnten feiern, für das nächste Abenteuer vorbereiten.
Ruhephasen sind wichtig, um die Seele baumeln zu lassen und Kraft zu tanken und dann mit voller Energie erneut `die Ärmel hochzukrempeln´. Auch gilt es, bei Rückschlägen dranzubleiben und dabei das Lächeln im Gesicht zu behalten, da diese `Lerngelegenheiten´ uns wachsen lassen. Da haben Leben und Skateboarding viel gemeinsam: #keeppushingandsmile.
Herzlichen Dank für das Interview Herr Dittmann – und beste Grüße nach Münster!
Interview: Andreas Detert | Fotos: Titus GmbH / Julius Dittmann / Dennis Scholz / Thomas Gentsch