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Interview mit Kerstin Garefrekes

Kerstin Garefrekes

Interview mit Kerstin Garefrekes

„Ich bin davon überzeugt, dass sich der Frauenfußball weiterhin positiv entwickeln wird.“

Frau Garefrekes, als eine der bekanntesten, ehemaligen Profi-Fußballerinnen des Münsterlandes konnten Sie während Ihrer Profisportlerkariere sowohl in der Frauen-Bundesliga als auch für die deutsche A-Nationalmannschaft der Frauen zahlreiche Erfolge feiern. So sind Sie zum Beispiel zweifache Europameisterin und zweifache Weltmeisterin als auch Olympia-Bronze-Gewinnerin. – Woher rührt Ihre Leidenschaft für den Fußballsport?

Frauenpokal Weltmeisterschaft 2007

Kerstin Garefrekes: Oftmals wird einem Menschen die Leidenschaft für eine Sportart in die Wiege gelegt und durch sportbegeisterte Eltern, ältere Geschwister oder anderen Familienmitgliedern entfacht. So war es bei mir nicht. Abgesehen von Fußballübertragungen im Fernsehen, die ich damals eher langweilig denn interessant fand, hatte ich bis zu meinem 6. / 7. Lebensjahr keine Berührungspunkte mit dem Fußball. Dann wurde ich zusammen mit zwei anderen Mädchen von einem Klassenkameraden gefragt, ob wir nicht mal ins Fußballtraining der hiesigen Jungenmannschaft kommen möchten, weil dort noch weitere Teammitglieder dringend gesucht wurden. Als ich vom ersten Training nach Hause kam, habe ich meinen Eltern gesagt, dass ich Fußball im Verein spielen möchte, damals sicherlich eine eher ungewöhnliche Sportart für ein Mädchen. Meine Leidenschaft für den Fußballsport war vermutlich so etwas wie `Liebe auf den ersten Blick´.

Sie sind in Ibbenbüren geboren und im Münsterland aufgewachsen, haben aber nach dem Ende Ihrer Sportlerkarriere Ihren Lebensmittelpunkt gänzlich nach Frankfurt am Main verlagert. Besteht Ihrerseits noch Kontakt in Ihre alte Heimat?

Kerstin Garefrekes: Ich bin leider nur noch recht selten in der Heimat persönlich anzutreffen, aber meine Familie lebt teilweise noch im Münsterland und vereinzelt habe ich auch noch Kontakt aus Schulzeiten oder zu ehemaligen Mitspielerinnen aus meinen früheren Vereinen.

„[…] natürlich ist ein Titelgewinn, als Belohnung für eine Saison oder eines Turniers, immer ein ganz besonderer Moment in einem Sportlerleben.“

Kerstin Garefrekes

Den fußballerischen Ursprung legten Sie unter anderem bei Ihren Heimatvereinen DJK Arminia Ibbenbüren und danach sieben Jahre beim FFC Heike Rheine. 2004 folgte dann der Wechsel zum Frauen-Bundesligateam nach Frankfurt. Mit insgesamt 355 Einsätzen in der Frauen-Bundesliga sind Sie bis heute Rekordspielerin. Wenn Sie nun auf Ihre Sportlerinnenkarriere zurückblicken: Was war für Sie das persönliche Highlight?

Kerstin Garefrekes: Meine fußballerischen Grundlagen habe ich erstmals in meinem Heimatverein GW Steinbeck gelegt. Mit circa vierzehn Jahren bin ich dann zur DJK Arminia Ibbenbüren gekommen und habe dort meine ersten Spiele in einer Frauenmannschaft absolviert.

Ich hatte das Glück, dass ich in meiner sportlichen Laufbahn viele schöne Momente erleben durfte und natürlich ist ein Titelgewinn, als Belohnung für eine Saison oder eines Turniers, immer ein ganz besonderer Moment in einem Sportlerleben. Aber ich nehme keine hierarchische Einteilung von Highlights vor: Jeder Erfolg hat seine eigene, einzigartige Geschichte, die ich persönlich damit verbinde. Titel wie der Gewinn einer Weltmeisterschaft in Los Angeles oder in Shanghai oder der Gewinn der Champions League vor knapp 30.000 Zuschauern im großen Frankfurter Stadion sind beeindruckend und für die Ewigkeit, aber für mich sind auch gerade die als kleiner scheinenden Momente wie ein Aufstieg in eine höhere Spielklasse oder das Vermeiden eines Abstiegs persönliche Highlights, die mich letztlich als Sportlerin und Menschen geprägt haben.

Zwölf Jahre lang standen Sie für den 1. FFC Frankfurt selbst als Spielerin auf den Platz und bestritten von 2004 bis 2016 insgesamt 298 Bundesliga-Spiele für den Verein – inklusive des Gewinns dreier Deutscher Meisterschaften, vier DFB-Pokale sowie der Champions League. Nun betreuen Sie aktuell als Co-Trainerin die zweite Frauen-Fußballmannschaft von Eintracht Frankfurt in der 2. Bundesliga. – Was bedeutet es Ihnen persönlich, in Ihrer jetzigen Funktion nach wie vor mit Ihrem geliebten Fußballsport verbunden zu sein?

SGE Logo

Kerstin Garefrekes: Meine Trainertätigkeit mit der U20 Frauenmannschaft von Eintracht Frankfurt ist für mich aus unterschiedlichen Gründen sehr wichtig. Zum einen bereitet es mir große Freude, jungen, talentierten und motivierten Spielerinnen meine Erfahrungen zu vermitteln und sie als Sportlerinnen und Persönlichkeiten auf den Leistungsbereich vorzubereiten. Zum anderen ist es eine tolle Möglichkeit, mit der Mannschaft beziehungsweise mit den Trainerkollegen im Team zu arbeiten, sich bei Wind und Wetter an der frischen Luft zu bewegen sowie die Emotionen auf dem Trainingsplatz und beim Spiel hautnah zu erleben.

SGE Frauen Training

„Meine Leidenschaft für den Fußballsport war vermutlich so etwas wie `Liebe auf den ersten Blick´.“

Kerstin Garefrekes

Bereits während Ihrer beruflichen Beamtenlaufbahn im gehobenen Dienst – sowohl als Stadtinspektorin in der Stadtverwaltung Rheine als auch später in der Frankfurter Stadtkämmerei im Controlling – haben Sie parallel aktiv Ihre Karriere als Profi-Fußballerin verfolgt. Wie haben Sie es derzeit geschafft, beide Bereiche `unter einen Hut´ zu bekommen?

Rathaus Rheine

Kerstin Garefrekes: Beide Bereiche zu koordinieren, kann grundsätzlich nur funktionieren, wenn die Unterstützung und das Verständnis von allen Beteiligten vorhanden sind. Beispielsweise indem im beruflichen Umfeld Freistellungsregelungen über den üblichen Jahresurlaub hinaus gefunden beziehungsweise Gleitzeitregelungen genutzt werden können. Im sportlichen Bereich habe ich teilweise athletische Trainingseinheiten in meine Mittagspause verlegt oder abends zusammen mit einem Individualtrainer absolvieren können. Teilweise bin ich auch von einem Auswärtsspiel erst spät in der Nacht nach Hause gekommen und trotzdem läutete der Wecker früh am nächsten Morgen zur Arbeit. Vergessen werden darf auch nicht, dass es zudem noch einen privaten Bereich gibt, der zusätzlich noch koordiniert werden muss. Eine Leistungssportlerin zu sein, bedeutet auch immer für die ganze Familie und den Freundeskreis erhebliche Entbehrungen. Zum Beispiel war es eher die Ausnahme als der Regelfall, wenn ich an Geburtstags- oder Familienfeiern teilnehmen konnte und wenn Freunde am Wochenende tolle Freizeitaktivitäten unternommen haben, war ich oftmals nur auf dem Fußballplatz aktiv. Das war für alle sicherlich nicht immer einfach und erforderte auch viel Geduld. Teilweise kommt das Gefühl auf, mehrere Bälle gleichzeitig jonglieren zu müssen und dabei keiner Anforderung in vollem Umfang gerecht werden zu können, aber mit Durchhaltevermögen, Zielfokussierung und gutem Zeitmanagement konnte ich meistens die Bälle ganz gut `in der Luft´ halten.

Die Entwicklung des Frauenfußballs in Deutschland und seine öffentliche Wahrnehmung in den Medien hat in den Jahren immer mehr an verdienter Akzeptanz beim Sport-Publikum gewonnen, unter anderem auch durch internationale Star-Spielerinnen wie die Brasilianerin Marta, die US-amerikanische Fußballerin Megan Rapinoe oder die Australierin Samantha Kerr. Für den deutschen Frauenfußball gelten Sie Frau Garefrekes sowie Ihre ehemaligen Team-Kolleginnen Steffi Jones, Birgit Prinz, Kerstin Stegemann und Nadine Angerer als Vorbilder der nächsten Generation weiblichen Fußballtalente. – Wie sehen Sie als ehemalige Profisportlerin die zukünftige Entwicklung des Frauenfußballs?

Kerstin Garefrekes: Ich bin davon überzeugt, dass sich der Frauenfußball weiterhin positiv entwickeln wird. Die öffentliche Wahrnehmung und die Attraktivität für Sponsoren werden sich nach meinem Dafürhalten zukünftig weiter verbessern, auch wenn natürlich noch viel Arbeit investiert werden muss. Die englische Profiliga (The FA Women`s Super League) und die US-amerikanische Liga (National Women´s Soccer League) sind gute Beispiele, wie Vermarktung im Frauenfußball sehr gut funktionieren kann. Und auch in der deutschen `FLYERALARM Frauen-Bundesliga´ werden mittlerweile alle Spiele, zum Teil kostenpflichtig, live übertragen. Zudem gehören in der laufenden Saison acht von zwölf Mannschaften zu einem Männer-Lizenzverein, wodurch die sportlichen und infrastrukturellen Rahmenbedingungen deutlich professioneller gestaltet werden können.

„Deutsche Frauenmannschaften sind fast schon traditionell im technischen Bereich sehr gut ausgebildet […].“

Kerstin Garefrekes

Die kommende `9. FIFA Fußball-Weltmeisterschaft der Frauen´ wird 2023 in Australien und Neuseeland stattfinden. Was kann das DFB-Team der Frauen aus Ihrer Sicht bei diesem anstehenden Turnier erreichen?

Kerstin Garefrekes: Auch wenn die letzten Turniere mit der EM 2017 und der WM 2019 aus deutscher Sicht eher enttäuschend verliefen, zählt für mich das DFB-Team zusammen mit den USA, Kanada, Schweden und England auf jeden Fall wieder zum Favoritenkreis. Deutsche Frauenmannschaften sind fast schon traditionell im technischen Bereich sehr gut ausgebildet und die aktuelle Mannschaft besitzt eine gute Mischung aus Erfahrung und Jugend. Zudem konnte das Trainerteam um Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg der Mannschaft wieder eine deutliche Struktur und Spielphilosophie vermitteln. Es wird schwer werden, diese Mannschaft zu schlagen, aber in einem Turnier muss auch das Spielglück im entscheidenden Moment auf der richtigen Seite sein.

Herzlichen Dank Frau Garefrekes für das interessante Interview.

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Interview: Andreas Detert / Fotos: Eintracht Frankfurt Fußball AG