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Interview mit Jörg Hartmann – Atelier Hartmann

Interview mit Jörg Hartmann – Atelier Hartmann

“Ich glaube, dass im Leben ultimativ nur für eine große Leidenschaft ausreichend Zeit ist.“

Herr Hartmann, Sie sind über die Grenzen des Münsterlandes seit Jahren nun als renommierter Künstler, Maler, Comiczeichner, Kinderbuchillustrator und Concept-Artist bekannt. Wann haben Sie die Leidenschaft und Ihr Talent für das Zeichnen erstmalig entdeckt?

Jörg Hartmann: Also ursprünglich hatte ich gar nicht vor, Zeichner zu werden. Ich bin nach Münster gekommen, um dort an der Fachhochschule für Design eben jenes `Design´ zu studieren. Im Grundstudium war dort aber Zeichnen ein wesentlicher Bestandteil des Studiums. Somit war der Grundstein hierfür gelegt und ich habe dann zum ersten Mal wirklich ernsthaft gezeichnet. Schon vorher in der Schule habe ich bemerkt, dass bei mir hierfür ein gewisses Talent vorhanden war.

Da ich in der Fachhochschule merkte, dass ich hierbei schnell Fortschritte machte, habe ich mich entschlossen, das Zeichnen weiter zu verfolgen, denn es hat mich gefesselt ich habe gar nicht mehr aufhören können damit. Später im Studium ergab sich dann die Gelegenheit, für Buchverlage als Illustrator zu arbeiten.

„Das Gefühl des Zeichnens, welches ich habe, wenn ich vor einem ‚echten‘ Blatt Papier und mit echten Farben sitze, das erreiche ich einfach nicht mit digitaler Arbeit.“

Jörg Hartmann

Mit welchen Farben oder Materialien malen oder zeichnen Sie am liebsten: mit Bleistift, Tusche und Feder oder Aquarellfarben?

Jörg Hartmann: Am liebsten arbeite ich mit Pinsel, Zeichenfeder und Bleistift, mit Tusche und Aquarell – also ganz traditionell. Denn das Gefühl des Zeichnens, welches ich habe, wenn ich vor einem `echten´ Blatt Papier und mit echten Farben sitze, das erreiche ich einfach nicht mit digitaler Arbeit. Jedoch setzte ich auch mit Maus, digitalem Stift und Computer Zeichnungen um.

Wo liegen die Unterschiede in den einzelnen Stilrichtungen im Hinblick auf das am Ende fertige Bildmotiv?

Jörg Hartmann: Das ist immer eine Frage der Aufgabenstellung. Ein Kinderbuch erfordert natürlich eine ganz andere Herangehensweise als beispielsweise ein Erwachsenen-Comic. Wenn ich mit den Arbeiten für ein Kinderbuch beginne, dann benutze ich zum Beispiel eine ganz andere Farbpalette als bei einem Comic für Erwachsene. Kinder mögen kräftige Farben, für Erwachsene darf es dann auch gerne mal etwas düsterer sein.

Sie haben in den letzten Jahren über fünfzig Bücher illustriert, darunter diverse Kinderbücher. Was ist das Besondere an der Gestaltung und bildlichen Ausschmückung von Kinderbüchern im Gegensatz zu Zeichnungen für Zeitschriften, Unternehmen oder Agenturen?

Jörg Hartmann: Das ist gar nicht so einfach zu beantworten. Jedes Projekt erfordert eine individuelle Herangehensweise. Das unterscheidet sich bereits schon von Kinderbuch zu Kinderbuch oder von Agentur-Auftrag zu Agentur-Auftrag. Zu jedem Projekt gibt es ganz eigene Wünsche der Kunden und jeder Inhalt bestimmt schon von sich allein eine gewisse Optik. Jede Zielgruppe ist anders. Das Endergebnis ist dann immer eine Verschmelzung von dieser Optik, der Zielgruppe und den Kundenwünschen.

„Die Idee zum WILSBERG-Comic ist im Rahmen meines Studiums entstanden.“

Jörg Hartmann

Eines Ihrer bekanntesten Projekte ist sicherlich der `WILSBERG-Comic´, der eine bildliche Adaption der TV-bekannten Krimiserie um Privatdetektiv Wilsberg aus Münster widerspiegelt. Wie kam es zu diesem Projekt und zu der Umsetzung dieses Buches?

Jörg Hartmann:
Die Idee zum WILSBERG-Comic ist im Rahmen meines Studiums entstanden. Mein Professor Marcus Herrenberger hatte irgendwann die Idee, ich könnte Comics zeichnen. Ich fand das sofort gut. Er mochte eine Romanreihe sehr gerne, die aber zu der Zeit noch nicht so populär war wie sie heute durch die TV-Filme geworden ist. Heute wissen viele gar nicht, dass Wilsberg ursprünglich ein Romanstoff des Autors Jürgen Kehrer ist.

Ich habe während der Studienzeit dann mit der Arbeit an WILSBERG begonnen, ohne wirklich daran zu denken, dass das irgendwann mal gedruckt wird und als Comic in einem Verlag erscheint. Es war ganz einfach ein Studienprojekt, meine `Comic-Spielwiese´ sozusagen, an der ich zeichnerisch alles ausprobieren konnte. Doch mit der Zeit arbeitete ich immer intensiver daran und irgendwann hatte es eine gewisse Reife, mit der ich mich getraut habe, an Verlage heranzutreten. Zu meiner Überraschung hatten direkt mehrere Verlage Interesse an einer Veröffentlichung, aus denen ich mir einen Verlagspartner aussuchen konnte. Erschienen ist WILSBERG dann bei den bekannten `Carlsen Comics´.

Weitere von Ihnen bekannte Werke sind Ihre `Münster-Bilder´ mit verschiedenen Motiven von Münsteraner Wahrzeichen wie dem Kiepenkerl, dem Hafen, der Kreuzkirche oder dem Prinzipalmarkt. Welche besondere Beziehung besteht zwischen Ihnen und dem Münsterland als Ihre Wahlheimat?

Jörg Hartmann:
  Die `Münster-Bilder´ sind so eine Art Nebenprodukt der WILSBERG-Comics. Viele der Motive sind als Hintergrund für Szenen in WILSBERG entstanden. Als der erste WILSBERG-Comic erschienen ist, gab es in Münster eine große Ausstellung im Kramer-Amtshaus hierzu. Das ist ein prominenter Ausstellungsort mitten in der Innenstadt von Münster. Dort wurde jemand auf diese Münster-Motive aufmerksam, der professionell mit Künstlerauflagen zu tun hat und anregte, die Motive in hoher Qualität als Druckauflagen anzubieten. Ich konnte mir das zuerst nicht so gut vorstellen, habe ihm jedoch trotzdem eine Datei mit Zeichnungen zur Verfügung gestellt, um Probedrucke anzufertigen. Als er mir diese später gezeigt hat, war ich von der hohen Qualität sofort begeistert.

Meine Mutter kommt zudem gebürtig aus dem Münsterland. Große Teile der Ferien in meiner Kindheit habe ich auf dem Bauernhof meiner Oma vor den Toren von Münster verbracht. Die Gegend war mir also schon immer vertraut. Und Münster war die nächste, große Stadt und schon damals auch ein beliebtes Ausflugsziel. Und ich fühlte mich hier schon immer sehr wohl. Heute lebe ich schon länger in Münster als in der Stadt, in der ich aufgewachsen bin. Meine Tochter ist hier geboren, ich bin familiär angekommen und man kann sagen, ich habe hier `Wurzeln geschlagen´.

Seit über fünfzehn Jahren betreiben Sie zudem Ihr eigenes Atelier inklusive Galerie im Hansaviertel, direkt in der City von Münster. In dieser finden sich eine Vielzahl an gerahmten Aquarell-Malereien mit unterschiedlichsten Motiven der Nordsee, von Paris, aus Wien oder Münster wieder, die man käuflich erwerben kann. Sind alle diese Bilder Unikate?  Und welche weitere Stadt würden Sie zukünftig gerne einmal bildtechnisch darstellen?

Jörg Hartmann:
Das Ladenlokal ist auch so eine zufällige Gelegenheit gewesen. Ursprünglich war es nur dazu gedacht, dort zu arbeiten und es war ausschließlich Atelier. Das Schaufenster hatte ich zu Beginn mit einem Sichtschutz versehen, um nicht bei der Arbeit gestört zu werden. Erst als ich mich dazu überreden ließ, mal einen Tag der offenen Tür zu veranstalten, merkte ich, dass da Interesse seitens Kunden für meine künstlerischen Werke vorhanden war. Daraufhin richtete ich einen Tag in der Woche mit festen Öffnungszeiten ein. Die anderen Wochentage benötige ich weiterhin, um an meinen Projekten zu arbeiten. Der Laden entwickelte sich dann über die Jahre sehr erfreulich zu dem, was er heute ist. Zudem hatte ich Galeristen und Rahmenbauer um mich herum, die mir Tipps für die Galerie geben konnten und denen ich hierbei in den Anfängen über die Schulter gucken konnte. Denn ursprünglich war und bin ich ja kein gelernter Einzelhändler. Nach 15 Jahren Erfahrung weiß ich nun jedoch ganz gut, wie so ein Laden funktioniert. Ich sehe mich jedoch trotzdem weiterhin lieber als Zeichner, denn als Galerist. Daher wird es in meiner Galerie auch weiterhin nur diesen einen Öffnungstag geben.

Für weitere Städte-Motive gibt es keine konkreten Pläne. Wenn ich aber Reisen bin, etwas Zeit habe und ein schönes Motiv entdecke, dann setze ich dieses zeichnerisch gerne um. So sind die Motive von Wien, Paris oder auch die ländlichen Aquarelle aus Tschechien entstanden. Zudem finde Asien sehr reizvoll – möglicherweise werden hierfür zukünftig neue Aquarell-Malereien entstehen (lacht).

„Die Aquarellmalerei hat einen ganz eigenen Look, eine Leichtigkeit, die man mit keiner anderen Technik erreichen kann.“

Jörg Hartmann

Was macht für Sie das Besondere der Aquarellmalerei aus?

Jörg Hartmann: Die Aquarellmalerei hat einen ganz eigenen Look, eine Leichtigkeit, die man mit keiner anderen Technik erreichen kann. Sie ist nur schwer zu kontrollieren und man muss ihr immer etwas Raum geben, um ihren eigenen Willen zu behalten. Man kann also nie zu 100 % wissen, was am Ende für ein Bild entsteht, was diese Maltechnik besonders spannend macht.

Konträr zu diesen Natur- und Architektur-Motiven sind Ihre Porträts und Kunstdrucke von bekannten, bereits verstorbenen Musikern wie der Musik-Legende Jimmi Hendrix oder Lemmy Kilmister, Gründer der Rockband Motörhead. Sind weitere Musiker-Porträts von Ihnen in Planung? Und ist Musik Ihre zweite Leidenschaft?

Jörg Hartmann
: Ich liebe Musik und da ist es naheliegend, dass ich das Zeichnen damit verbinde. So habe ich damit begonnen, einige Portraits von bekannten Musiker-Persönlichkeiten zu erstellen. Diese sind aber alles freie Arbeiten, die aus dem Auftragsalltag komplett ausgeklammert sind. Wann immer ich etwas Zeit finde, arbeite ich jedoch an weiteren solchen Musiker-Portraits. Somit besteht durchaus Interesse an Musik, denn ich spiele selbst Gitarre.

Ich glaube, dass im Leben ultimativ nur für eine große Leidenschaft ausreichend Zeit ist. Diese bezieht sich bei mir jedoch nun mal, außer auf meine Familie, auf das Zeichnen.

Durch die Digitalisierung und den Online-Handel läuft der Verkauf von Kunst mehr und mehr anonymisiert ab. Da bilden Sie mit Ihrem Lastenfahrrad, mit dem Sie schon seit Jahren auf Kundenwunsch im Stadtgebiet von Münster sogar Ihre Kunst persönlich nach Hause liefern, eine sehr erfrischende Ausnahme. Wie wichtig ist Ihnen nach-wie-vor die Nähe zu Ihren Kunden?

Jörg Hartmann
: Im eigenen Laden ist mir der Kontakt zu den Menschen sehr wichtig. Zudem mache mir nicht so viele Gedanken darüber, wo die Menschen meine Bilder kaufen, zumal ich ja ebenfalls einen eigenen Onlineshop betreibe. Jedoch mag ich es sehr, mit den Leuten in Kontakt zu treten, zu reden und ihnen die Bilder `live´ zu zeigen, um auch etwas über deren Entstehung erzählen zu können. Denn hinter vielen dieser Bilder steckt immer auch eine eigene Geschichte.

Das Lastenfahrrad war meinerseits eine Idee, um Bilder nicht immer mit dem Auto in der Stadt auszuliefern. Denn dies ist einfach wahnsinnig zeitintensiv und nervenaufreibend, wenn man bedenkt, dass man in Münster mehr Zeit für die Parkplatzsuche als für den Weg aufbringen muss. Da ist ein Lastenrad, mit dem man überall direkt vor der Tür parken kann, eine wunderbare Alternative. Und es mach auch noch Spaß, damit zu fahren.  Daher nutze ich es auch weiterhin.

Sie waren bereits für verschiedene deutsche Verlage und Werbeagenturen als Illustrator und Zeichner tätig. In der Pipeline sind nun weitere Buch-Veröffentlichungen in den USA, Frankreich und England. Hierzu konnten Sie aktuell zum Beispiel mit der `hachette BOOK GROUP´ als Frankreichs größtem Verlagshaus und dem englischen Kinderbuchverlag NOBROW Einigungen für eine Zusammenarbeit schließen. Auf welche Projekte können sich Ihre Fans zukünftig freuen?

Jörg Hartmann:  Das ist noch geheim, jedoch werden die zukünftigen Projekte mit `hachette BOOK GROUP´ und NOBROW sicher sehr spannend, versprochen… (lächelt).  Es gibt sogar noch ein weiteres Comicprojekt im Anschluss, welches ich zusammen mit einem prominenten Bestseller-Autor des Verlages `Penguin Random House´ umsetzten werde. Das ist aber sogar noch geheimer.

Dann lassen wir uns von The CHAMP talks gerne mal überraschen und sind bereits auf Ihre zukünftigen Zeichenprojekte gespannt. Herzlichen Dank für das sehr interessante Interview, Herr Hartmann.

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Interview: Andreas Detert / Fotos: Jörg Hartmann (privat), Markus Hauschild, Carlsen Verlag