Interview mit Robin Gosens
„Es ist unglaublich wichtig zu träumen, denn nur wer Träume und Ziele hat, hat auch etwas worauf er hinarbeiten kann und wofür es sich lohnt zu kämpfen.“
Herr Gosens, Sie sind als Profifußballer erfolgreich. Nun haben Sie bei dem Verlag EDEL BOOKS mit gerade einmal siebenundzwanzig Jahren Ihre Autobiografie `Träumen lohnt sich – Mein etwas anderer Weg zum Fußballprofi´ veröffentlicht. Was hat Sie hierzu bewogen?
Robin Gosens: Bewogen dazu hat mich vor allem die Tatsache, dass meine Story sich doch sehr von denen anderer Profis unterscheidet. Darüber hinaus habe ich viele Nachrichten erhalten, in denen Menschen schrieben, dass sie meine Geschichte inspirierend finden. Daraus ist dann die Idee entstanden, das alles aufzuschreiben, um vielleicht andere zu motivieren. Zudem habe ich auf viele Dinge im Profigeschäft eine klare Meinung, und das Buch hat mir die Plattform gegeben, diese mal ausführlich zu schildern.
Ihr Werk war sogar unter der finalen Auswahl als `Fußballbuch des Jahres´. Ist Ihnen das Schreiben genauso leichtgefallen wie der Umgang mit dem Fußball auf dem grünen Rasen?
Robin Gosens: Ich liebe Bücher seit ich klein bin und habe immer viel gelesen. Mein großer Traum war es immer, irgendwann mal ein eigenes Buch zu schreiben. Dass das so ein Erfolg wird und so viel Spaß gemacht hat, hätte ich aber nicht gedacht. An dieser Stelle ist es aber auch richtig, meinem guten Freund Mario zu danken, der mir bei der Umsetzung des Buches sehr geholfen hat.
Aktuell ist Italien der Lebensmittelpunkt von Ihnen und Ihrer Familie. Eine neue sportliche Heimat haben Sie mit dem aktuellen Vereinswechsel zu Inter Mailand gefunden. Haben Sie sich in Ihrem neuen Team und außerhalb des Platzes schon eingelebt?
Robin Gosens: Auf jeden Fall. Glücklicherweise ging mit dem Wechsel kaum eine Veränderung einher, was das private Leben betrifft. Wir wohnen weiterhin in Bergamo, weil wir die Stadt lieben, und Italien ist mittlerweile sowieso unser zweites Zuhause geworden.
„Niemals aufhören zu träumen. Das ist das Motto, das mich ein Leben lang begleitet und mich ehrlich gesagt auch sehr weit gebracht hat.“
Seit 2020 sind Sie zudem Fußball-Nationalspieler, tragen das Trikot der DFB-Auswahl und erreichten mit dem Deutschen Team und Ihnen als Stammspieler bei der EM 2021 das Achtelfinale. Durch Ihre ebenfalls bestehenden niederländischen Wurzeln gab es zuvor jedoch auch die Anfrage seitens des damaligen Oranje-Trainers Ronald Koeman an Sie und somit die Möglichkeit, grundsätzlich für die niederländische Fußball-Nationalmannschaft zu spielen. Warum haben Sie sich für das deutsche DFB-Team entschieden?
Robin Gosens: Letztlich ganz einfach, weil ich mich mehr als Deutschen sehe. Ich bin hier aufgewachsen und habe meine Jugend in Deutschland verbracht. Die emotionale Verbindung zu Holland gibt es auf jeden Fall, aber zu Deutschland ist sie deutlich größer.
In Ihrem Buch schildern Sie Ihren Weg vom fußballbegeisterten Jugendlichen, der in der Stadion-Kurve beim Spiel seine sportlichen Idole anfeuerte, hin zum jetzigen Profifußballer. Heute sind Sie für die nächste Generation einer dieser Vorbilder und haben hierfür sogar eine eigene `Träumen lohnt sich-Stiftung´ ins Leben gerufen. Welchen Rat würden Sie jungen Talenten geben?
Robin Gosens: Niemals aufhören zu träumen. Das ist das Motto, das mich ein Leben lang begleitet und mich ehrlich gesagt auch sehr weit gebracht hat. Es ist unglaublich wichtig zu träumen, denn nur wer Träume und Ziele hat, hat auch etwas, worauf er hinarbeiten kann und wofür es sich lohnt zu kämpfen. Deswegen ist mein Rat, dass es sich lohnt zu träumen und alles für seine Träume zu geben.
Wenn Sie zwei Momente in Ihrer bisherigen Profisportler-Karriere hervorheben würden, die Ihnen emotional am wertvollsten erscheinen, welche wären das?
Robin Gosens: Das erste Fußball-Länderspiel für Deutschland und das Tor in der CL für Atalanta gegen Donzesk waren die für mich emotionalsten Momente in meiner bisherigen Sportlerkarriere.
„… ich habe immer daran geglaubt, Profi-Fußballer werden zu können.“
Sie sind gebürtig aus Emmerich in NRW und begannen mit sechs Jahren Ihren fußballerischen Weg bei Ihrem Jugendverein Fortuna Elte. Später sollten Profistationen in den Niederlanden und Italien bei Vitesse Arnheim, Atalanta Bergamo und bei Ihrem jetzigen internationalen Spitzenclub in Mailand sowie Erfahrungen in der Champions League folgen. Hätten Sie sich diese Karriere als Profifußballer `träumen lassen`?
Robin Gosens: Dass es diese Ausmaße annimmt, hätte ich nicht gedacht, so ehrlich muss ich schon sein. Aber ich habe immer daran geglaubt, Profi-Fußballer werden zu können. Und als ich dann erst einmal Profi war, war für mich klar, dass ich jeden Tag alles geben werde, um so hoch wie möglich zu kommen.
Als ursprünglicher Berufswunsch war der Polizeidienst angedacht. Doch bekanntlich kam es anders. Wie haben Sie sich damals gefühlt, als Sie ein Scout von Arnheim zu Probetraining eingeladen und Ihnen damit den Weg in den Profifußball geebnet hat?
Robin Gosens: Es war für mich der `Gamechanger´, die zweite Chance, für die ich immer gekämpft habe nach dem Misserfolg beim Training in Dortmund. Es war der Moment, an dem ich realisiert habe, dass ich nochmal die Chance bekomme, meine Träume zu erfüllen.
Sie kommen aus einer fußballbegeisterten Familie. Ihr Vater war Ihr erster Trainer in der Kindheit und Jugend. Auch über diese Erlebnisse und Erfahrungen schreiben Sie in Ihrem biografischen Roman. Noch heute ist Ihr Vater offiziell Ihr Berater für das Sportbusiness. Welche Personen, neben Ihren Eltern, haben Sie fußballerisch oder auch menschlich noch geprägt, um zu dem Robin Gosens zu werden, der Sie heute sind?
Robin Gosens: Auf jeden Fall meine Schwester, die die nicht so einfache Aufgabe hatte – und noch immer hat –irgendwie immer im Schatten zu stehen. Das tut mir leid, aber gleichzeitig gibt sie mir unglaublich viel Kraft und Energie und ist ein Vorbild für mich, weil sie ihren eigenen Weg geht, egal welche Widerstände kommen. Darüber hinaus meine Verlobte Rabea, die mich bei jeder einzelnen Station begleitet hat und eigentlich immer mein sicherer Hafen ist. Für sie bin ich vor allem Robin, der Mensch und nicht der Fußballer, weswegen ich mit ihr am besten abschalten kann.
„Ich kann Menschen erreichen und sensibilisieren, und das sehe ich absolut als wichtige Aufgabe an, gerade bei Themen wie `Mobbing´.“
In Ihrer Biografie schildern Sie nicht nur die positive Entwicklung Ihrer Sportlerkarriere, sondern gehen darin bewusst auch auf Ihrerseits begangene Fehler in der Vergangenheit ein. Ein Fokus liegt hierbei auf das Thema `Mobbing´, bei dem Sie in der Kindheit eher Täter als Opfer waren und dieses mit Ihrer heutigen Lebenserfahrung bereuen. Wie wichtig ist es Ihnen, mit der Thematisierung eines solchen, leider heutzutage immer noch geltenden `Tabuthemas´, die Jugend hierfür und für einen positiven, menschlichen Umgang miteinander zu sensibilisieren?
Robin Gosens: Ich halte das für sehr wichtig, weil ich einen großen Vorteil gegenüber anderen Menschen habe, die nicht so in der Öffentlichkeit stehen: die Reichweite. Ich kann Menschen erreichen und sensibilisieren, und das sehe ich absolut als wichtige Aufgabe an, gerade bei Themen wie `Mobbing´.
„Es ist kein Geheimnis, dass der Fußball immer mehr der Kommerzialisierung zum Opfer fällt.“
Ihren Traum von einer Sportlerkarriere konnten Sie sich mittlerweile mit Arbeit, Einsatz, Leidenschaft und Talent realisieren. Jedoch gibt es im Profisport nicht nur sonnige Aspekte, sondern durchaus auch Schattenseiten. In Ihrem Buch greifen Sie in einem Kapitel genau diese Kehrseite auf und beschreiben, dass aus Ihrer Sicht im Sportbusiness existenzielle Faktoren wie Spaß am Sport, Empathie und ´der Mensch hinter dem/der Sportler(in)´ immer mehr in den Hintergrund treten. Stattdessen überwiegt das Business, der Leistungsdruck, der Fokus auf Verträge, Geld für Vereine und Verbände sowie die Steigerung des `Marktwertes des einzelnen Sportlers´. – Eine ähnliche Systemkritik äußerte auch der ehemalige Borussia Mönchengladbach- Sportdirektor Max Eberl bei seinem Rücktritt vom Amt und Verein. – Braucht es aus Ihrer Sicht einen strukturellen Wandel im Sportbusiness hin zu einer Rückbesinnung auf die grundlegenden Werte und zu mehr Menschlichkeit?
Robin Gosens: Das wäre wünschenswert, aber gleichzeitig auch nicht realistisch. Es ist kein Geheimnis, dass der Fußball immer mehr der Kommerzialisierung zum Opfer fällt. Ich bin nicht naiv, denn auch ich profitiere durch gute Verträge von dem System und sollte mich daher nicht beschweren. Dennoch sehe ich die Gefahr, dass wir uns immer mehr von den Fans entfernen und der Fußball zu sehr Business und zu wenig Emotion und Leidenschaft wird. Das finde ich bedenklich!
Sie sind seit Ihrer Kindheit Fan des FC Schalke 04. Als Profi hat es Sie bisher jedoch noch nicht in die 1. Fußball-Bundesliga verschlagen. Würde für Sie zu einem späteren Zeitpunkt in Ihrer Sportlerkarriere ein Engagement bei einem deutschen Fußballclub – und unter Umständen vielleicht sogar bei Ihrem `Herzensverein`, der erneut wieder in der 1. Liga spiel – überhaupt in Frage kommen?
Robin Gosens: Ja. Definitiv! Einer meiner größten verbliebenen Träume in meiner Karriere ist das Spielen in der Bundesliga.
Sie sprechen neben Deutsch und Englisch auch Niederländisch und Italienisch fließend. Welche Vorteile – neben dem Erlernen einer neuen Sprache – hat es aus Ihrer Sicht, in einem heimatfernen Land sportlich und menschlich Erfahrungen zu sammeln?
Robin Gosens: Meiner Meinung nach ist es für die Persönlichkeitsentwicklung essentiell. Ich habe das große Glück, unterschiedliche Kulturen und Sprachen kennenzulernen, und die Möglichkeit, mir von jeder Kultur das Beste herauszufiltern, das mir hilft, ein kompletterer Mensch zu werden. Für mich ist das ein großes Privileg.
Neben dem Fußball studieren Sie an der SRH-Fernhochschule-Riedlingen den Studiengang `Psychologie´. Warum haben Sie sich für diese Thematik entschieden? Und sollte es Ihrer Meinung nach – auch bei einer erfolgreichen Sportlerkarriere – neben dem Sport immer auch einen `Plan B´ für die Zukunft geben?
Robin Gosens: Die Karriere ist endlich, das steht fest. Fußballer kann ich bis 35-40 Jahren sein, dann war‘s das. Im besten Fall habe ich dann noch 40 Jahre Lebenszeit, die ich optimal nutzen will. Viele Spieler stehen nach der Karriere ratlos da und wissen nicht so recht, wie es weitergehen soll. Dem will ich vorbeugen, weswegen ich es sehr wichtig finde, sich frühzeitig zu orientieren. Psychologie ist ein spannendes Thema, weil es mich zwingt, mich mit mir selbst auseinanderzusetzen.
Vielen Dank für das tolle Interview, Herr Gosens!
————————————————————————————
Interview: Andreas Detert / Fotos: Robin Gosens privat, EDEL BOOKS, Inter Mailand, Philipp Reinhard, Carsten Kobow